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Der Neue an der Spitze der Hildesheimer Feuerwehren ist ein alter Bekannter – und erstmals hat eine Frau neben ihm das Sagen
06.09.2025 Hildesheim - Torsten Plötze ohne Freiwillige Feuerwehr? Nicht vorstellbar. Anders herum ebenso wenig. Er ist der neue Hildesheimer Stadtbrandmeister – und freut sich, dass mit Sandra Rousos erstmals eine Frau mit an der Spitze steht.
Wollte man sich ein Motto für Torsten Plötze ausdenken, könnte es – zugegebenermaßen etwas zugespitzt – so lauten: Ein Leben ohne Freiwillige Feuerwehr ist möglich, aber sinnlos. Wenn man so will, gab es von Anfang an kein Entkommen: aufgewachsen in einer Wohnung neben der Ochtersumer Feuerwache, Einsatzfahrzeuge tagtäglich vor Augen, 1983 in die Jugendfeuerwehr eingetreten, der Vater als Vorbild aktiv in Uniform und im Löscheinsatz. „Es war undenkbar, dass ich nicht in die Feuerwehr eintrete“, sagt Plötze heute und lacht. Ja, es gab kein Entkommen – aber er wollte ja auch gar keines. Und jetzt, 18 Jahre nach Ende der 23-jährigen Amtszeit seines Vaters Rudolf als Stadtbrandmeister, hat er selbst diesen Posten inne. Und ist damit, nebenbei bemerkt, praktisch auch Chef seines Bruders – der, wie es bei Plötzes so läuft, auch Verantwortung bei den Brandschützern übernimmt und schon seit 1997 Ortsbrandmeister in Ochtersum ist.
Mehr als retten, löschen, bergen, schützen
Retten, löschen, bergen, schützen – die Aufgaben der Männer und Frauen in den Freiwilligen Wehren sind seit jeher klar. Es zähle aber noch mehr als das Ziel, für die Gesellschaft da zu sein, zum Beispiel bei Einsätzen gegen Hochwasser, sagt der 52-Jährige. „Die Kameradschaft ist alles.“ Der Zusammenhalt, das Gemeinschaftsgefühl gebe den Mitgliedern und auch ihm viel. Auch deswegen würden so viele Hildesheimerinnen und Hildesheimer die Mühen und die Belastung des Ehrenamts, das mitunter auch gefährlich ist, auf sich nehmen.
Immerhin 508 aktive Mitglieder gibt es in der Einsatzabteilung der städtischen Ortswehren insgesamt. Hinzu kommen 189 Jungen und Mädchen in der Jugendfeuerwehr und inzwischen auch 195 in der Kinderfeuerwehr. „Das ist ein toller Erfolg“, sagt Plötze, der vor dem Wechsel an die Spitze der Hildesheimer Wehren bereits Stellvertreter des nun ausgeschiedenen Stadtbrandmeisters Jürgen Stoffer war. Die Einführung der Kinderwehren vor einigen Jahren sei wichtig für die Nachwuchsgewinnung gewesen. „Wenn man schon Kinder ab sechs Jahren aufnehmen kann, hat man die Chance, sie früh zu binden. Als es nur Jugendfeuerwehren gab, war es oft schon zu spät, weil sich die Mädchen und Jungen schon andere Hobbys gesucht hatten, Fußball oder andere Sportarten, und sie gar keine Zeit mehr hatten, auch noch regelmäßig zur Feuerwehr zu gehen.“ Plötzes aktuelle Bewertung der Lage: „Wir sind in der Stadt personell gut aufgestellt.“
„Wir hatten die Jungs gut im Griff“
Das sieht auch Sandra Rousos so. Die 32-Jährige war 2013 in die Jugendfeuerwehr Einum eingetreten – nicht, weil sie dort neben der Wache aufgewachsen gewesen wäre oder ihre Familie eine Plötze-ähnliche Feuerwehrdynastie begründet hätte. „Eine Freundin hat mich mitgenommen.“ Rousos ging mit, hatte Spaß. „Wir waren wirklich viele Mädchen, wir hatten die Jungs gut im Griff“, erzählt sie und lacht. Sie blieb, machte weiter, auch, als andere wegzogen und aufhörten. Und jetzt ist sie die Nummer zwei hinter Torsten Plötze, den sie schon seit Jahren als Feuerwehrkamerad kennt und schätzt. Erstmals hat eine Frau diesen hohen Posten der stellvertretenden Stadtbrandmeisterin. Zunächst noch kommissarisch, nach zwei obligatorischen Lehrgängen dann voraussichtlich im Laufe des nächsten Jahres ganz offiziell. „Es ist superwichtig, dass wir viele Mädchen und Frauen in den Freiwilligen Feuerwehren haben“, sagt Rousos, die als Pflegeberaterin arbeitet. Plötze stimmt ihr zu: „Frauen sind sehr wichtig.“ Im Vergleich zu früher seien die Wehren viel weniger Männerbünde mit teils machohaftem Gehabe. „Auch im Einsatz sind Frauen oft ein wichtiger Ruhepol.“
Profitieren vom GAZ
„Gut aufgestellt“ – wie Rousos und Plötze die personelle Lage der Wehren einschätzen, so bewerten sie weitgehend auch die technische Ausstattung und die Infrastruktur. Das habe sich auch beim letzten Hochwassereinsatz gezeigt, „da waren wir vor der Lage“. Gleichwohl müssten unbedingt weiterhin die Ortswehr-Wachen ausgebaut werden, wo nötig: Die neuen Modelle der Einsatzfahrzeuge haben solche Ausmaße angenommen, dass sie mitunter in alte Hallen kaum noch reinpassen. „Das hat die Stadt auf dem Schirm“, sagt Plötze und verweist auf den Brandschutzbedarfsplan. Neben bereits erweiterten oder neu gebauten Wachen steht die Standortsuche für neue Gebäude in Itzum und Sorsum sowie am Moritzberg an. Apropos Neubau: Dass die Stadt nun das Multi-Millionen-Vorhaben Gefahrenabwehrzentrum (GAZ) am Berliner Kreisel umsetzen lässt und die Bagger bereits rollen, begrüßen Plötze und Rousos ausdrücklich. „Dort bekommt ja nicht nur die Freiwillige Feuerwehr Stadtmitte 2 eine neue Heimat, sondern alle Freiwilligen Wehren der Stadt profitieren von der neuen Ausbildungshalle, den Schulungsräumen und von der Mehrzweckhalle.“
Eine Geschichte, die der 52-Jährige mit Blick auf ein Bild an der Wand der Ochtersumer Wache so nebenbei erzählt, macht noch einmal klar, was die Kameradschaft meint, die Plötze so schätzt. Das Bild erinnert an die Partnerschaft der Hildesheimer Ortswehr mit der Freiwilligen Feuerwehr aus Ochtersum in Ostfriesland. Es ist lange her, da landete ein für die Ostfriesen gedachter Brief im Hildesheimer Ochtersum. Man nahm Kontakt auf – und aus einem Zufall entwickelte sich eine Wehr-Partnerschaft, die hält und hält und hält, über Gemeinde- und Landesgrenzen hinweg. Demnächst fahren mehrere Hildesheimer zu einem Polterabend eines Mitglieds der ostfriesischen Kameraden. Feuerwehr, das ist eben viel mehr als retten, löschen, bergen, schützen.
Quelle: Hildesheimer Allgemeine
Foto: Chris Gossmann